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Positionspapier der komba gewerkschaft zur Problematik der ARGEn
Alles wird komplizierter, wenig wird besser - neue Kollegialität oder schwierigere Zusammenarbeit?

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Das an die Öffentlichkeit lancierte Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 16.11.2009 zur Neuorganisation der ARGEn ist in einer weiteren Expertenrunde der komba gewerkschaft eingehend beraten worden. Das Eckpunktepapier basiert auf der Koalitionsvereinbarung, die nach einer Strukturreform zum SGB II eine getrennte Aufgabenwahrnehmung vorsieht. Einheitlich kamen die Experten zu dem Ergebnis, dass eine getrennte Aufgabenwahrnehmung, so wie sie derzeit nach dem Eckpunktepapier vorgesehen wird, der falsche Weg ist.

Mit dem 4. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz IV) wurde die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu einer einheitlichen Leistung der Grundsicherung für Arbeitslose normiert. Die bis dahin bestehende Doppelstruktur der Arbeitsförderung gemäß SGB III und der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz wurde zu Gunsten einer Förderung von Langzeitarbeitslosen zu einem einheitlichen Recht und Leistung aus einer Hand zusammengefasst. Mit der Leistung aus einer Hand sollte eine wirksame Hilfe für die Betroffenen ermöglicht werden. Mit der jetzt in der Koalitionsvereinbarung und dem daraus resultierenden Eckpunktepapier verabschiedet sich die Bundesregierung von dem Grundgedanken der Hartz IV-Reform.

Nach Meinung der Experten der komba gewerkschaft führt die getrennte Aufgabenwahrnehmung zu erheblichen Verschlechterungen für alle Beteiligten:

• Es müssen getrennte Bescheide für bestimmte Geldleistungen durch die BA wie auch die Kommune ergehen.
• Durch die unterschiedlichen Bescheide müssen die Widerspruchsverfahren neu geregelt werden. Der kommunale Träger wie auch die Arbeitsagentur müssen eigene Widerspruchsbescheide erlassen.
• Klagen müssen doppelt geführt werden; die Sozialgerichtsbarkeit wird noch mehr belastet.
• Sofern in Rechtmittelverfahren gegenüber der Ursprungsentscheidung geänderte Entscheidungen ergehen, entwickeln diese Folgewirkung für den jeweils anderen Träger und lösen bei diesem die Aufhebung und Neubescheidung bereits erlassener Entscheidungen aus.
• Bisher einheitlich durchgeführte Prüfungen und Maßnahmen, wie zum Beispiel die Prüfung von Unterhaltsansprüchen oder der Forderungseinzug, müsste von jeder Stelle getrennt erledigt werden. Dies führt zu erheblichem Verwaltungsmehraufwand und Unverständnis bei den Bürgerinnen und Bürgern. Deren Unmut entlädt sich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Arbeitsbelastungen und Bedrohungen am Arbeitsplatz sind bereits jetzt unvertretbar (siehe auch Zwischenbericht der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung).
• Durch die Trennung der jeweiligen Leistungen wird es schwieriger für den einzelnen Leistungserbringer festzustellen, ob der Hilfeempfänger die zutreffenden Leistungen erhält. Die Vorgänge werden undurchschaubar.
• Die Kolleginnen und Kollegen bearbeiten im Bereich der Leistungen zum Lebensunterhalt sowie der integrativen Förderleistungen nur noch Teilbereiche, was zu Frustration und zwangsläufig schlechteren Dienstleistungen führt.
• Ein sachgerechtes Fördern und Fordern wird, unter Berücksichtigung der Regelungen zu den Eingliederungsvereinbarungen und Sanktionen, nahezu unmöglich.
• Die getrennte Aufgabenwahrnehmung führt zu wesentlich erhöhten Verwaltungskosten. Durch die Dopplung vieler Prozesse entstehen erhöhte Aufwendungen, die vornehmlich von den Kommunen aber auch von der BA zu tragen sind.

Nach dem Eckpunktepapier des BMAS ist vorgesehen, dass die BA nicht nur die Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit mit Tatbestandswirkung für den kommunalen Träger verbindlich feststellen kann, sondern auch eine verbindliche Entscheidung über das anzurechnende Einkommen und das zu berücksichtigende Vermögen trifft. Die kommunale Aufgabe wird somit rechtlich unzulässigerweise ausgehöhlt und die damit vom Bundesverfassungsgericht geforderte eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung nicht mehr erfüllt. In einem Rechtsgutachten des Prof. Dr. Wieland vom 07.12.2009 kommt dieser zum Ergebnis, dass eine solche Regelung verfassungswidrig ist.

Insgesamt sieht das Eckpunktepapier des BMAS eine Stärkung der Rechte der Bundesagentur für Arbeit und eine Reduzierung der Einflussmöglichkeiten der Kommunen vor. Kommunale Arbeits- und Sozialpolitik ist für den Personenkreis der Langzeitarbeitslosen nicht mehr möglich. Das lehnt die komba gewerkschaft ab.

Die komba gewerkschaft fordert, dass die Festlegung auf 69 Optionskommunen aufgehoben und eine Erweiterung der Optionsmöglichkeit per Gesetz ermöglicht wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wäre eine solche einfache gesetzliche Regelung möglich. Damit wäre die Leistungserbringung aus einer Hand wieder gewährleistet. Die oben aufgeführten Probleme würden dann nicht entstehen.

Den Optionskommunen sind ausreichende Finanzmittel zur eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung zu stellen. Die Beschränkungen durch den Bund muss auf ein verträgliches Maß reduziert werden.

Auf Grund der Aussagen im Koalitionsvertrag erscheint derzeit eine Verfassungsänderung kaum durchsetzbar, um andere Organisationsmodelle zur Neuorganisation des SGB II-Vollzugs zu realisieren. Dies bedauert die komba gewerkschaft und erhofft sich ein Umdenken in der Politik. Sollte es dennoch zu einer Verfassungsänderung kommen, können nach Ansicht der komba gewerkschaft Grundgedanken des ursprünglichen Modells eines Zentrums für Arbeit und Grundsicherung (ZAG) herangezogen werden. Allerdings muss sichergestellt werden, dass die Beschäftigen der Kommune weiterhin Beschäftigte ihrer Kommune bleiben können und sie ein Wahlrecht haben, ob sie ihr Arbeitsverhältnis bei dem neuen Rechtsträger fortsetzen wollen oder nicht.

Für den Fall des Scheiterns eines verfassungsrechtlich abgesicherten Kooperationsmodells bekräftigt die komba gewerkschaft ihren Vorschlag, den Vollzug von SGB II im Wege der Bundesauftragsverwaltung zu ermöglichen. Danach überträgt der Bund den Ländern zunächst den Aufgabenvollzug. Dabei muss aus Sicht der komba gewerkschaft sichergestellt werden, dass die Länder ihrerseits diese Aufgaben durch entsprechende Ausführungsgesetze weiter an die Kommunen übertragen. Dabei sollte den Kommunen ein Wahlrecht zustehen, ob sie den Vollzug von SGB II ganz oder teilweise übernehmen oder auch im vollen Umfang auf die Arbeitsagentur übertragen wollen. Über eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung könnte schließlich vor Ort die für die jeweilige Kommune erforderliche Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit zum Beispiel durch Festlegung eines Dienstleistungskataloges geregelt werden.

Eine einheitliche Fallbearbeitung muss gewährleistet werden. Dazu müssten das Fallmanagement und der Leistungsbereich in der Hand der Kommunen verbleiben. Andere Dienstleistungen, wie der Arbeitgeberservice, der Bereich Rehabilitation und Schwerbehinderteneingliederung (SGB IX), die zentrale Ausbildungsplatzvermittlung sowie die Stellenvermittlung in den ersten Arbeitsmarkt (fakultativ) sind denkbare Aufgaben, die durch die BA wahrgenommen werden könnten.

Ein solches Modell hätte den Vorteil, dass die Beschäftigten der Kommune in ihrer Kommune verbleiben und die Mitarbeiter der BA weiterhin bei der BA beschäftigt werden.

Die komba gewerkschaft fordert die politisch verantwortlichen auf, ein Signal zu Gunsten der Beschäftigten zu setzen. Es muss endlich Schluss sein mit der Ungewissheit über die Zukunft ihres Arbeitsplatzes. Es müssen verlässliche Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Dazu gehört auch, dass die bisher befristeten Beschäftigten in dauerhafte Arbeitsverhältnisse übernommen werden. Zudem müssen sachgerechte Betreuungsschlüssel eingeführt sowie Ausbildungsgänge für die vielfältigen Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im SGB II erarbeitet werden. So wie bislang geht es nicht weiter.

Von entscheidender Bedeutung ist aber, dass bei einer Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit den kommunalen Beschäftigen ein Wahlrecht offen bleibt, ob sie ihre Tätigkeit bei der BA oder der Kommune fortsetzen wollen. Ein gesetzlicher Zwang zur Abordnung ist nicht der richtige Weg. Die Freiwilligkeit muss im Vordergrund stehen. Entscheidend für die Zukunft der Organisationsformen muss aus Sicht der komba gewerkschaft sein, dass die Leistungsempfänger die ihnen zustehenden Leistungen aus einer Hand erhalten und der bürokratische Aufwand nicht weiter ausgeweitet wird. Für die Beschäftigten erwarten wir endlich Sicherheit für ihre berufliche Zukunft, wobei für die kommunalen Beschäftigten die Möglichkeit zum Verbleib in ihrer Kommune im Vordergrund stehen muss.

Die grundsätzliche Position der komba gewerkschaft wird durch die Neufassung des Eckpunktepapiers des BMAS vom 3.12.09 nicht verändert.

Köln, den 08.12.2009

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